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tiefgarage

tiefgarage unter rochusplatz

24 | 11 | 1996
Eine schlechte Zeit für Wünsche
Was wäre unser Leben ohne Ideen, ohne Wünsche? Langweilig, grau und leer. Da gibt es das kleine Anliegen, meist leicht zu erfüllen, dort das ganz große, scheinbar phantastische Begehren. Hier die Tafel Schokolade, da das Parkhaus unter dem Freiheitsplatz, oder ein Theater mit weltstädtischem Niveau, -bei sozialen Eintrittspreisen, versteht sich. So weit, so gut.
1996 ist allerdings eine ganz schlechte Zeit für Wünsche. Es scheint, als seien alle nur mit großem finanziellen Aufwand zu verwirklichen und kosteten einen mächtigen Batzen Geld. Geld, das nicht jeder hat und die Stadt Hanau schon mal gar nicht. Dennoch erleben wir immer wieder Überraschungen, wenn Mitbürger gegenüber der Verwaltung unserer Stadt Wünsche äußern und in gleichem Atemzug deren unverzügliche Verwirklichung einfordern. Mutig, mutig- weiß doch jeder, daß aus dem Stadtsäckel nichts zu holen ist, der Kämmerer die frustrierende Absage schon als fertigen Textbaustein im Computer gespeichert hat und die traurigen Botschaften täglich in alle Himmelsrichtungen verschickt.
Aber halt mal: Das kompakte Unternehmen Stadt Hanau saugt doch auch von uns, seinen Anwohnern und hier Beschäftigten, im sicheren Einzugsverfahren und mit verläßlicher Regelmäßigkeit stattliche Geldbeträge ein. Irgendwo müssen die doch wieder auftauchen!
Der Nachweis über die Verwendung unserer der Stadt zur Verfügung gestellten Gelder ist in den Haushaltsplänen niedergelegt. Die Anschaffung von Radiergummis und Absperrpollern ist klar definiert, Spielraum zur Zahlung von Überraschungen und Milderung kleinerer Katastrophen ist eingeplant. Das geht in Ordnung. Aber neben den "Brot-und-Butter"-Anschaffungen gibt es noch immer kleine zusätzliche Schmankerl und Wunscherfüllungen: Hier ein Feuerwerk, da eine Bahnunterführung, oder zwei neue, glänzende Magistratskarossen. Muß auch sein, es macht ja sonst gar keinen Spaß mehr.
Die simpelste Lösung aller Probleme, wenn rein gar nichts mehr geht, wäre eine diplomatische Gleichstellung Hanaus mit Ländern der sogenannten Dritten Welt. Den im Schuldenmeer ertrinkenden Staaten wie Mexikonien, Malarya usw. reicht man (mit Recht, etwas schlechtem Gewissen und untadeligen Hintergedanken) ja auch den rettenden Strohhalm in Form eines Memorandums und Schuldenerlasses- greifen wir doch auch danach! Wie reizvoll die Aussicht, noch einmal von vorne anfangen zu können und die aus den alten Fehlern gewonnenen Weisheiten zu nutzen! Stunde Null für Hanau - eine hübsche Illusion, aber was dann?
Wir würden von Neid und Mißgunst aller Randgemeinden überschüttet werden; welch ein Spießrutenlaufen durch die Nachbarstädte. Das wäre die Sache nicht wert, oder?
Also Schwamm drüber. Ähnliche Hoffnung auf Lösung aller Probleme weckt die Zauberformel "Oberzentrum". Hierunter versteht man nicht etwa ein Ausbildungslager des Kellnereigewerbes, sondern einfach nur die Maßeinheit, die einen großflächigen Einwohnerverbund erst zu einer richtigen Stadt macht. Ist dies das Wunder, das uns Hanauer retten wird? Die erhofften zusätzlichen Moneten aus dem Landesentwicklungsplan lassen den Pegel der Hanauer Stadtkasse ja auch nur von "hoffnungslos" auf "ganz leer" steigen. Das bringt kaum mehr Platz zum Hüpfen, geschweige denn Raum, um große Sprünge zu machen. Es geht auch nicht ums nackte haushaltspolitische Überleben einer Kommune, sondern um Erhalt und Gestaltung der 'Lebenskultur' ihrer Einwohner. Gesucht sind Ideen, die begeistern, aber nichts kosten. Wie wäre es denn z.B. mit einem Großauheimer Wolkenkratzer-Festival ganz nach Frankfurter Vorbild? Wahrlich sensationell, wenn Scharen von Auheimern unsere markanten Skytower erklimmen könnten: die drei Kirchen, den Wasserturm, das Raiffeisensilo und das '1.Hochhaus' in der Krotzenburgerstraße. Das mit dem Wolkenkratzen wird sicher klappen, dafür sorgen schon die Mainwassernebel aus den Staudinger-Kühltürmen. So was hebt den Bürgerstolz, stärkt den Lokalpatriotismus und erhöht die Akzeptanz bei der Durchführung einer weiteren haushaltspolitischen Grausamkeit. Und sicher springen dabei auch noch ein paar Mark für die Organisatoren heraus. Das wäre doch was! Einen vom Gewerbeverein eigenfinanzierten Rochusmarkt haben wir ja bereits dem Hanauer Veranstaltungsprogramm beigesteuert. Also, an Großauheim soll es nicht liegen, aus einem "Oberzentrum" Hanau auch eine entsprechend interessante Stadt zu machen.  Ideen haben und umsetzen, das Machbare wollen und durchfuhren, nicht nur nach neuen Geldern rufen, sondern die vorhandenen Mittel gezielt, kontrolliert und sinnvoll an Mann und Frau bringen. Das alles klappt jedoch nur mit Unterstützung der Bürger und die ist nur durch umfassende Information und Mitverantwortung zu gewinnen. - Die allerdings kostet nichts! Wie wäre es mit der Widerbelebung der "Lenkungsgruppe Großauheim", oder eines "Bürgerstammtisches", in dem von interessierten Zeitgenossen, Partei- und interessenübergreifend, hemmungslos über städtische Probleme, Auswege und neue Wege phantasiert wird und bei denen unter hundert Ideen ja vielleicht eine wirklich brauchbare Anregung herausspringt? - Es gibt genügend Menschen unter uns, die nicht nur fordern, sondern auch persönlichen Einsatz, Zeit und Wissen anbieten, um gemeinsam weiterzukommen. Nicht abblocken, ausprobieren.  Die Wünsche sind frei!
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