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...reiten füre großauheim: die przewalskis

Mit den Przewalskis aus der Krise

15 | 09 | 2009
Ganz große Überraschung, Hanau ist pleite! Die Gewerbesteuereinnahmen sind im Keller, das Haushaltsdefizit auf Jahre hinaus Spitze. Scheinbar plötzlich klaffen riesige Krater im Stadtsäckel. Unsere Stadt unerwartet im Minus? Na, das ist aber jetzt wirklich nichts Neues. Die Kasse ist doch seit vielen Jahren klamm. Und trotzdem haben wir Hanauer es uns bisher recht gutgehenlassen, oder? Eine kleine Haushaltssperre ab und an wurde locker ausgesessen. Ein Defizit - das waren bisher doch nur rote Zahlen auf geduldigem Papier. Da  tat nix weh.
Doch jetzt wird’s ernst. „Hanau befindet sich im freien Fall“ - so schildert Oberbürgermeister Kaminsky die „äußerst prekäre Haushaltslage“ unserer Stadt. Nun gelte es, „mit Maß und Verstand“ zu sparen. Sollten dabei „heilige Kühe“ im Wege stehen, so würden diese geschlachtet. Der Mann macht ernst! Seit Generationen liebgewonnene „freiwillige Leistungen“, wie Vereinszuschüsse oder Kulturausgaben stehen nun auf der roten Liste. Mutig, mutig, denn das wird Ärger geben! Wo es doch manchmal scheint, einige Hanauer Großvereine und deren Würdenträger hätten mehr Macht und somit Einfluß auf das städtische Geschehen, als die Ortsbeiräte aller Stadtteile zusammen.
Ein kalter Hauch der Angst weht über Markt- und Freiheitsplatz. Da ducken sich die Schönen der Hanauer Szene und es erschrecken die Party-Nasen. Wen wird’s erwischen? Wo wird die Nabelschnur der gepflegten Seilschaften reißen? Zukünftig zeigt sich, wer nicht nur auf Blitzlichter angewiesen ist, sondern aus eigener Kraft  leuchten kann. Es wird schummrig im gedimmten Rampenlicht, Energiesparlampen ersetzen die Scheinwerfer. Downsizing ist angesagt, um im Slang der „Beautiful People“ zu bleiben.
Was sich die Kernstädter nun im Crashkurs beibringen müssen, ist uns Großauheimern eine alte Erfahrung: das Leben zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
Gerade jetzt könnten clevere Hanauer viel von ihrem größten Stadtteil lernen.
In diesen Tagen galoppieren die  knuddeligen Przewalski-Pferde auf den Großauheimer Campo Pond - ein geeigneteres Symbol zur Krisenbewältigung kann kaum gefunden werden! Die Großauheimer Neubürger sind die rechte Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Auf dem ehemaligen Exerzierplatz mampfen diese robusten Urwildpferde borstige Wildkräuter; mehr brauchen die nicht. Sie sind klein, kompakt und zäh, dabei äußerst genügsam und pflegefrei. Es gibt sie schon seit ewigen Zeiten und aussterben wollten sie dennoch nicht. Man muß sie nur respektvoll in Frieden lassen, sonst werden sie wild. Typische Großauheimer Eigenschaften eben. Ein Przewalskipferdchen gedeiht ungesponsert und aus eigener Kraft. Es braucht keinen erlesenen Blattsalat, sondern gibt sich mit Magerrasen zufrieden. Da werden verwöhnte Lipizzaner blaß.

Hanau muß nur nach dem Przewalski-Prinzip wirtschaften, dann wird das wieder was: Konzentration auf das Wesentliche, Pflege und Erhalt der Infrastruktur, Filterung bereits begonnener Projekte. Die Urwildpferde schützen durch das Fressen von hohen Pflanzen die geschützte Silbergras-Vegetation. Genauso muß bei allen städtischen Sparmaßnahmen stets das Hanauer Tafelsilber geschützt bleiben. Dafür aber fort mit den Gießkannen und bloß keine neuen Baustellen mehr! Nur noch zukunftsträchtige Projekte sollten begossen und finanziert werden. Das wird uns zwar allen ein wenig weh tun, aber wir müssen da durch. Jammern ist erlaubt, hilft aber nichts. Wichtig ist, das Leid gerecht aufzuteilen! Ein Trost: Man kann auch ohne Pralinen überleben. Und vielleicht gibt’s irgendwann nicht nur Magerrasen, sondern auch mal wieder ein Stückchen Schokolade. => zurück zur auswahl
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