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landesgartenschau

flower power - Alle Macht den Blumen!

01 | 04 | 2001
Liebe Hanauer, macht jetzt keine halben Sachen.
Einfach nur mit großem Etat euer Brachland düngen und mit strömendem Geldfluß die Gartenschaurabatten gießen, das reicht nicht. Und „mit allen Sinnen genießen“ kann man auch ein Fußballspiel: vom Sofa aus, mit Pils und Pommes in Griffweite. Nein, Ihr Oberzentrierten: Eine Landesgartenschau muß mit Leib und Seele gelebt werden! Der Hanauer muß zum bekennenden Blumenkind mutieren. Stellen wir uns vor: Die Geeleriewe als Reinkarnation der Hippies. Der Lamboyaner, der sein Leben im Einklang mit der Natur führt. Der von sprießender Flora beseelte Kesselstädter. Das wäre doch was!
Natürlich erfordert das einschneidende Maßnahmen:
Die Thujas, die deutschen Schäferhunde unserer Vorgärten, werden freigelassen und nicht mehr alljährlich guillotiniert. Der Löwenzahn darf auf der Wiese toben. Das Rasenmähen wird nur noch im Quartal erlaubt. Alles darf wachsen und gedeihen, die Natur wird entfesselt. Als Entschädigung erhalten Heuschnupfer Taschentücher gratis oder alternativ Reisegutscheine zum Nordkap. Aber welch ein Effekt, welch eine Beispiel! In Hanau würde Natur gelebt und nicht in einem Blumenzoo eingesperrt. Gärtner und Floristen der Welt: schaut auf diese Stadt! Das berauscht natürlich die Hanauer Magistratsbotaniker und  sie nicken so heftig, daß die Gänseblümchen wackeln. Doch obacht und zu Ende denken! Wer sich aufs Eis begibt, muß auch schliddern können. Und wer FlowerPower predigt, muß sein Herz nicht nur für allerliebste Blümelein, sondern auch für etwas schrillere Gewächse öffnen. Da strahlt nicht nur die Sonnenblume, da kreucht auch das Nachtschattengewächs.
Also, ihr Hanauer, aufgepaßt. Lernt aus der Geschichte! Nehmt zum Beispiel das Mekka der Blumenkinder, das „Woodstock“-Festival.
Das damalige Multimedia-Ereignis wurde den Veranstaltern ruckzuck aus den geschäftstüchtigen Händen genommen; die Absperrgitter von Freaks und Friedensengeln locker demontiert. „It’s a free concert!“ Und aus war’s mit Zaun und Eintritt zahlen. Liebe, Frieden und Natur sind eben grenzenlos und scheren sich nicht um Regie und kühle Planung. Aber bevor den Magistratsgewaltigen nun das grüne Herz gleich wieder in die Schubkarre fällt, sei erinnert: Aus dem vermeintlichen Chaos der Hippie-Anarchie und dem Wochenend-Toben der Kinder aus gutem Hause wurde damals ein riesiger ideeller und kommerzieller Erfolg. Steht heute in jedem Lexikon. Und die derzeitige Frührentnergeneration bekommt beim Erinnern noch immer glasige Augen und ein Vibrato in der Stimme.
So könnte es auch mit der Hanauer Landesgartenschau geschehen - die Wandlung zum Mythos!
Die Entscheidung, das Projekt in unserer Stadt umzusetzen, erforderte viel Mut, Geld und das entscheidende Quentchen Wahnsinn. Das Heer der Kritiker ist inzwischen stark geschrumpft und leistet demnächst sicher Frondienste bei der Wildkrautzähmung im Freigerichtviertel. Also Ruhm und Gloria den Machern.
Aber jetzt gilt es, das Ding konsequent durchzuziehen. Kein Rückfall mehr in moosiges Denken über Öffnungszeiten, Dauerkarten und Kassenhäuschen. Den Schwung nutzen!
„Mrs. Overburgermeisterin, tear down the walls!” Weg mit den Zäunen, die Blumen an die Macht! Power to the flower! ALLEN Hanauern soll’s blühen. Die „Schau“ muß Alltag werden und darf nicht einfach im Oktober enden. Blühende Landschaften in ganz Hanau, losgelöst von Eintrittskarten und Sperrgittern. Raus mit der Natur in die ganze Stadt: Kartoffelanbau auf dem Freiheitsplatz, Kautschukplantagen im Dunlopviertel, die Erbsen ins Rathaus und Trüffel nach Großauheim!
Und dann noch ein president, der sagt: „Ick bin eine Sonnenblume!“ Der Löwenzahn zeigt, wo’s langgeht. Zäune können ihn nicht regulieren. Er wächst dort, wo’s ihm paßt. => zurück zur auswahl

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