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Ur-Schranke

Entfesselt Grossauheim!

08 | 11 | 1998
Waren Sie auch dabei, als der Atem der Geschichte durch Großauheim blies? Als sich -150 Jahre nach der Revolution von 1848- erneut viel erregtes Volk auf dem Rochusplatz zusammenfand und lautstark die Taten der Oberen beklagte? Es war Rochusmarktfreitag, zwei Stunden nach High Noon. Die Strahlen der gleißenden Sonne brachen sich in den ehernen Ketten, mit denen sich die Häuptlinge des Gewerbevereins symbolisch in Eisen gelegt hatten. Das düstere, von den beiden Hanauer Magistratsführern gezapfte Schwarzbier allerdings schluckte jedes Licht. Ja, ich war einer aus der Menschenmenge, die rings um den Platz des schon jetzt legendären doppelten Bieranstichs wogte. Ich konnte ihn spüren, den Freiheitsdrang der Großauheimer Rebellen. (Einer von ihnen stand auf meinem linken Fuß). Ein Vierteljahrhundert bereits ist die einst so stolze, reiche Stadt ein Vorort von Hanau.  Und die junge Generation kennt es gar nicht anders. Bloß die Erinnerungen der Ahnen halten den Großauheimer Geist am Leben. Aber im Auheimer Untergrund gärt es.(Und hier ist nicht das marode Kanalsystem gemeint). Separatisten, Freidenker und Heimatpatrioten streben nach einer Wiederverselbständigung. Unmöglich sagen Sie? Ist aber ganz einfach: In konspirativem Schulterschluß der Bevölkerung mit dem Ortsbeirat, also völlig legal, wird Großauheim von Hanau freigekauft.
Vom Batzen Geld, den die Hanauer demnächst aufs Auheimer Ortsbeiratskonto überweisen, wird Stück für Stück, Straße für Straße ausgelöst. Die Häuser und Grundstücke sind sowieso in Privatbesitz, so daß nur noch die Plätze, Gassen und Wege übrigbleiben. Über den Quadratmeterpreis muß mit der Stadt noch verhandelt werden, aber so ein armer Schlucker wie Hanau braucht jeden Pfennig und ist sicher ein butterweicher Verhandlungspartner. Also fangen wir an! Zuerst kaufen wir die Hauptstraße. Mit den Spenden der befreiten Geschäftsleute wird die Altstadt heimgeholt. Und so geht das immer weiter. Finanziell trägt sich die Befreiung alleine. Denken Sie nur an die Erträge aus Brückenzoll und Bahnschrankenmaut für Kernstädter und andere Auswärtige.  Spätestens in fünfundzwanzig Jahren ist dann Hanau ausbezahlt und Großauheim gehört sich wieder selbst. So müßte es klappen, oder?

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