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Ur-Schranke

wenn alle brünnlein fliessen...

04 | 09 | 2002
Andere stapeln hoch, wir graben tief. Großauheim ist auf dem besten Weg, „Brunnenstadt“ zu werden. Mindestens drei der kunstvollen Wasserlöcher zieren die Krotzenburger Straße, eine Lehranstalt nennt sich „Schule am Brunnen“ und seit ein paar Wochen prangt gar eine Zisterne auf dem frisch gestalteten Bahnhofsvorplatz. Städtebauer und Lokalpresse jubelten: „Blickfang“, „dauerhafte Aufwertung“, „echte Bereicherung“. Das stimmt ja auch. Nochmals herzlichen Dank der Deutschen Bahn, dem Baudezernat und den Basalt-Pflasterern für das gelobte Werk. Aber wir Großauheimer finden bei so viel Wahrem, Schönen, Guten auch immer ein Haar in der Suppe.
Es fehlt nämlich das Wesentliche. Wie ein Garten ohne Blumen, wie ein Löwe ohne Mähne, so unvollkommen ist ein Brunnen ohne Wasser. Man liest zwar vom angeblichen Naß in fünf Metern Tiefe unter der Bahnhofsoase, einen sprudelnden Quell jedoch sucht man dort vergebens. Auch die Brunnen entlang der Krotzenburger Straße sind pure Wasser-Dummies. Hübsch gemauertes Leergut, aufwendige Mogelpackungen ohne Inhalt. Ganz besonders grausam: die Trocken-Fontäne der Pinguine vor der „Schule am Brunnen“. Die dortige Parkanlage ist neu bepflanzt und  hübsch gestaltet, aber trotz tiefschürfender Erdarbeiten blieben die alten, maroden Wasserleitungen im Boden. Jedes verfügbare Rohr wurde wohl unter der Landesgartenschau verbuddelt. Die Antarktischen Geschöpfe August Gauls müssen weiter dursten. Das ist eben das alte Leid der Stadtteile: der Tisch wird in der Innenstadt gedeckt und nur das, was an Resten abfällt, bekommen die armen Randstädter. Nur: Hanau ist sehr hungrig und hat einen großen Appetit, da bleibt nicht viel für uns übrig.
Schauen wir den Brunnen doch einmal auf den Grund und besehen nüchtern und in aller Ruhe diese vermeintlichen Zisternen. Überall in der Hanauer Innenstadt  sprudeln die Kaskaden, zischen die Fontänen. Nur bei uns nicht. Da bleibt alles trocken. Fällt Ihnen etwas auf? - Ganz klare Sache für den, der genügend Krimis und Spionagefilme gesehen hat: Die „Brunnen“, die in Großauheim immer häufiger aus dem Boden schießen, sind gar keine. Wir haben es in Wirklichkeit mit getarnten Zugängen zu geheimen Stollensystemen und mysteriösen Tunnelnetzen zu tun, die insgeheim vom Hanauer Überwachungsapparat ausgetüftelt und von den Maulwürfen des städtischen Tiefbauamts gegraben wurden.
Der Magistrat wühlt mit dunkler Absicht: Er versucht, aus den Großauheimern endgültig ergebene Untertanen zu formen, was ihm bisher ja noch nicht so recht gelungen ist. Wenn nämlich Königin Margret in ihrer silbernen Karosse blinkend in Großauheim einfährt, schließen sich die Reihen der Einwohner und jeder Auheimer ist auf der Hut. Auf majestätisch-herrschaftliche Art können die Hanauer Geeleriewe den Auheimer Krauthabschern nicht beikommen. Um das aufmüpfige Großauheim unbemerkt zu infiltrieren und gefügig zu machen, soll die Unterwanderung heimlich vonstatten gehen. Wir wissen jetzt, wie. Hier das Ergebnis der Recherchen:
Am Tag X wird im Hanauer Rathaus ein Panzerschrank geöffnet, dunkle Gestalten (nach der Landesgartenschau umgeschulte Freiwillige aus den Reihen des Gartenbauamtes) entnehmen geheime Pläne. Danach geht es zum Brunnen-Einstiegspunkt am Kassenhäuschen der Marktplatz-Tiefgarage. Gibt’s da nicht? Von wegen! Ist Ihnen noch nie aufgefallen, daß das Drehtellerchen, auf dem dort die überaus freundlichen Damen das Wechselgeld zurückzahlen, immer nur in eine Richtung rotiert? Achten Sie einmal darauf! An eben diesem Tag X wird es erstmals die Richtung wechseln. Daraufhin wird sich neben der Sprinkleranlage (Hanau = Wasser überall!) ein Schacht im Boden öffnen. Dort taucht das finstere Hanauer Kommando in die Tunnelanlage ab, die direkt nach Großauheim führt und ihren Ausgang in den dortigen Brunnenschächten hat. Natürlich wird es düstere Nacht sein und natürlich werden wir Großauheimer im tiefen und wohlverdienten Schlummer liegen. Die dunkle Kolonne will unsere Auheimer Träume austauschen! Autosuggestion durch die Haustüren unserer heimatlichen Wohnungen. „..Hanau ist groß, Hanau ist schön, gerne geben wir Alles der Innenstadt…“ werden Stimmen hypnotisch säuseln. Und wenn morgens dann die Sonne über Großauheim aufgeht, werden wir Auheimer nicht mehr lokal, sondern zentral gestimmt sein. Im Bewußtsein umgedreht, mit Hanau gleichgeschaltet, in Hanau aufgegangen. Unvorstellbar!
Bevor das Kind nun tatsächlich in den Brunnen fällt, fordert die Bewegung „Kämpfer für den Erhalt Großauheimer Identität“ von den Herrschern im Magistrat: Dreht den Hahn auf! Laßt die Brünnlein fließen! Nur so können wir sicher sein, daß nicht eines Nachts Hanauer Häscher aus den Tiefen der Katarakte emporsteigen, um aus sprudelnden Großauheimern trockene Hanauer zu machen!
Sie denken sicher: was für eine wilde Mischung aus Tatsache, Fiktion und Unsinn. Aber finden Sie vielleicht die vernünftige Erklärung, weshalb in Großauheim immer mehr Trockenbrunnen gebaut werden? – Na also. Wenn in Hanau am Hauptbahnhof, oder am Kanaltor, oder vor dem Schloß, oder am Beethovenplatz, oder, oder..... die Brunnen plätschern, dann ist das schön und erfreut auch uns Auheimer. Wir alle leben in dieser großen Stadt zusammen. Ständiger Kontakt und das offene Ohr füreinander halten die Dinge im Fluß. Gleichbehandlung, Fairneß, und das Vermeiden von Privilegien garantieren eine gemeinsame Weiterentwicklung. Wir Großauheimer können doch kaum ein Wässerchen trüben. Doch der Krug geht nur solange zum Brunnen, bis er bricht. Daher muß das an vielen Stellen sehr dicke Hanauer Fell ab und zu auch mal kräftig geschrubbt und gerubbelt werden: das fördert die allgemeine Durchblutung, belebt und hält gesund. In diesem Sinne also: Wasser Marsch!
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